1843-1908

 

Das Maschinenzeitalter bricht an

 

Um 1850 zählt die Stadtgemeinde Zug 3'300 Einwohnerinnen und Einwohner, der ganze Kanton 17'500. Zug ist zu über 99 Prozent katholisch. Die Stadtbefestigung hat ihren Sinn verloren und wird durchlöchert. Das Zeitalter der Maschine bricht an. Der Morse-Telegraph ermöglicht die blitzschnelle Nachrichtenübermittlung über weite Distanzen.
1842 baut die Theater- und Musikgesellschaft ihr eigenes Stadttheater am heutigen Postplatz.

 

 

1843–1908: Stadttheater am Schanzenplatz

 

Die Garderobenfrage gibt den Ausschlag

 

1842 klagt die Theater- und Musikgesellschaft, die derzeitige Einrichtung des Theaters sei für die Durchführung von musikalischen Produktionen und geselligen Festlichkeiten ungeeignet. Sie beschliesst deshalb, das Theater umzubauen und «in dem nämlichen Raume einen Musik- und Festsaal herzustellen». Das fertig vorbereitete Unternehmen scheitert im letzten Moment an der Garderobenfrage: Der Widder-Wirt verweigert die rechtsverbindliche Zusicherung, Zimmer in seinem Hause auch weiterhin als Ankleideräume zur Verfügung zu stellen. Falken-Wirt Johann Peter Weiss, der eben im Begriffe ist, auf der Westseite des Baarertors das Bellevue zu bauen, macht diesbezüglich bessere Offerten, und so kommt es in kürzester Zeit zum Umschwung: Das alte Theater wird aufgegeben und das neue Stadttheater seeseitig ans Bellevue angebaut. Die Stadt beteiligt sich mit 1'900 Franken und der Erlaubnis, die Zimmerhütte und den Schwefelturm abtragen und das Abbruchmaterial für den Neubau verwenden zu dürfen. Die Baurechnung beläuft sich auf knapp 7'900 Franken. 57 Gesellschaftsmitglieder verpflichten sich unterschriftlich, für die Schulden solidarisch zu haften.

 

 

Hotel Bellevue

 

Probensaal und Theatergarderoben. Der Erbauer des Bellevue verpflichtet sich 1842 vertraglich gegenüber der Theater- und Musikgesellschaft, in seinem Haus zwei Ankleidezimmer zur Verfügung zu stellen und einen Saal zu bauen, der auf dem Niveau der kommenden Theaterbühne ans Nachbarhaus stösst. Aus diesem Saal sollen zwei Seiten- und eine Mitteltüre in den Bühnenraum führen. Grösse und Position der Türen kann die Gesellschaft bestimmen. Bei musikalischen und theatralischen Produktionen und allen dazu gehörenden Proben darf die Gesellschaft diesen Saal und die Garderobenzimmer ausschliesslich und unentgeltlich benützen.

 

 

Theatergebäude

 

Bühnenturm. Die Bühne ist 7,5 bis 8 Meter breit, 5,5 Meter tief und 8,5 Meter hoch. Der Bühnenrahmen im Proszenium misst 5 auf 4,5 Meter. Dem eigentlichen Bühnenraum kann eine kleine Hinterbühne angegliedert werden. Die Bühnenausstattung besteht aus dem Prospekt und je drei Seitenkulissen. Die verschiedenen Prospekte und Seitenkulissen hängen dicht unter dem Ziegeldach am Schnürboden und werden mit zwanzig Aufzügen bewegt. Die Bühne hat eine kleine Versenkung. Der Schauspieler, der beispielsweise als Geist aufzutauchen hat, muss unter dem Bühnenboden durch zu dieser Versenkung hingeschoben werden – fast wie das Brot in den Backofen. 

Theater-, Musik- und Ballsaal im ersten Stock. Der Zuschauer:innen-Raum für vielleicht 300–350 Personen hat nicht einmal 70 Quadratmeter Grundfläche. Er ist im Grundriss halbkreisförmig, mit Parterre, Galerie und zwei Seitenlogen. Der Boden lässt sich mittels einer Maschinerie heben und senken. Bei Aufführungen wird er gegen die Bühne zu bis auf das Niveau des Orchesterbodens abgesenkt. Die so entstehende Überhöhung gestattet eine ausgezeichnete Sicht von allen Bänken und Stehplätzen aus. Bei Maskenbällen oder bei Konzerten mit anschliessender Unterhaltung wird der Zuschauerboden bis auf die Höhe des Bühnenbodens angehoben. Der einfache Tannenbretterboden muss dann allerdings mit «Schlupfpulver» zuerst tanzbereit gemacht werden... 

Beleuchtung. Die Bühnenbeleuchtung besteht aus Öl- und später Petrollampen in dreiseitig geschlossenen Holzkästen. An den Wänden des Zuschauerraums hängen Öllampen. Das Prunkstück ist jedoch der Kristall-Kronleuchter. Spektakuläre Neuerung im Jahr 1889: Die Beleuchtung wird auf elektrisches Licht umgestellt.
Den Strom für die 48 Glühlampen liefert die private Dynamomaschine im Keller des Hotels Löwen. In der Schweiz gibt es ausser in Zug nur noch in Genf ein Theater mit elektrischer Beleuchtung!

Magazinraum, Musik- und Probensaal, Gleichstromzentrale. Das Erdgeschoss des neuen Stadttheaters wird zwar von der Theater- und Musikgesellschaft im Rohbau erstellt, gehört aber der Stadt bzw. der Korporation Zug und wird von Letzterer als Magazin genutzt. 1864 tritt die Korporation den Unterbau des Theaters an die Gesellschaft ab. Der Abstellraum dient zeitweise auch als «Winterturngebäude». 1872 richtet die Gesellschaft mit beträchtlichem finanziellem Aufwand einen zweiten Saal ein. Dieser so genannte Untere Saal ist als Musik- und Probensaal gedacht, leidet aber stark unter Feuchtigkeit. 1893 wird der Parterre-Saal an die Wasserwerke Zug vermietet, die hier für die Elektrizitätsversorgung der Stadt die «Gleichstromzentrale Theater» einrichten.

 

 

Zeitstrahl

 

1843 Eröffnung des Stadttheaters am Schanzenplatz
1844 Eine Kapuzinerpredigt gegen Theater spielende Frauenzimmer bringt die ganze Stadt in Aufruhr
(1848 Schweizerischer Bundesstaat)
(1852 Erstes Dampfschiff auf dem Zugersee)
(1853 Erstes Telegraphenbüro in Zug)
(1864 Erste Eisenbahn im Kanton Zug)
1873 Der neue Parterresaal wird eingeweiht
(1880 Edisons Kohlefadenglühlampe wird patentiert)
(1887 Zuger Vorstadtkatastrophe)
1889 Elektrische Theaterbeleuchtung
1902 Die Theater- und Musikgesellschaft Zug erwirbt das Bellevue
(1903 Erstes steuerbares Motorflugzeug)
1904 Theaterschliessung aus Sicherheitsgründen

(Text: Peter Hoppe)

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Artherstrasse 2-4, 6300 Zug